Dr. Sandra Mühlenberend

Maria Sainz Rueda durchspielt mit ihren Malereien vermeintliche Raumsituationen so, dass Erinnerungen gleichermaßen aktiviert und zum Stocken gebracht werden. Dominierende Farbflächen, überlenkte und kippende Perspektiven führen Malerei als heterogene Praxis vor, die sich aus der Auseinandersetzung mit Raumkonstruktionen und Stilvorgaben heraus immer wieder neu öffnen lässt. Kennzeichen der Bilder sind im Allgemeinen bühnenhafte Inszenierungen, die durch zweideutige Perspektiven und ungewöhnliche Zusammenstellungen mysteriös und magisch wirken. Sainz Ruedas Bilder werfen die Frage nach der Wirklichkeit des Abgebildeten auf, errichten Gegensätze zwischen dem wirklichen und dem fiktiven Raum. Ihre Techniken – zum Teil künstliche Farben, Kombinationen aus Alltag und Träumen, Verschiebung von Maß und Perspektive – entführen den Betrachter in eine höchst fragile Welt mit Abgründen und bedrückender Isolation. Diese Welt, wie Sainz Rueda sie präsentiert, ist voller Widersprüche, Dislokationen, Rätsel und merkwürdigen Zusammenstellungen. Die Beunruhigung der Bilder wird im Besonderen durch die Gegenwart – oder Abwesenheit – von Menschen, die minimalistisch agieren, verstärkt. Die Gestalten stehen entweder in doppeldeutigen Posen, fast statuenhaft und doch verweisend im Zentrum des Bildes, oder huschen an Bild bestimmenden Farbwänden vorbei. Einige der Figuren in den Bildern bedienen zudem nicht ohne Ironie zur Pathosformel unser Vorstellungsrepertoire bedeutungshafter Gesten. Ein Wechselspiel aus konstruierten Innenräumen in düsteren Farben mit theatralischer Beleuchtung und geheimnisvollen Schatten sowie vermeintlich hellen Außenräumen, die sich als Bühnenräume entpuppen, erinnert in Ansätzen an Pittura metafisica. Wenngleich z.B. bei de Chirico leere Plätze, antiquisierende Architekturverweise, klassische Statuen oder gesichtlose Puppen den Bildträger bestimmen und Sainz Rueda die Raumkonstruktionen in markanten Flächen, in und auf denen sich statuenhafte Gestalten zaghaft verlebendigen, abstrahiert, so künden beide Positionen davon, die physische Erscheinung der Realität zu transzendieren, um den Betrachter mit unentschlüsselbaren, oft enigmatischen Bildern zu überraschen. Letzteres auch im Malerischen, in der Verwendung von Farbe und Form, in der Anwendung ausgesuchter Kontraste und Angleichungen, die unsere Sehsucht nach Ausgleich und Rhythmus konterkarieren. In den Bildern, wo die Bühne offensichtlich ist, verweigert die Künstlerin bewusst regelhafte Gefüge. Zwar zeigt sich eine Bindung in der Beschränkung auf ganz bestimmte Dimensionen der Farbe, auf Strecken einzelner Ausdehnungsrichtungen und in der Anwendung ausgesuchter Kontraste, jedoch wird das klassische Gebot bestimmter Modulationsfolgen unterwandert. Sainz Rueda provoziert / attackiert hier die Vorstellung von einem integrierenden syntaktischen Vorgehen innerhalb der Malerei, indem sie keinem folgerichtigen Satzbau folgt. So auch in der konstruktiven Ordnung, deren Baucharakter stetig zu kippen scheint. Bewirken einerseits lagernde Schichten, senkrecht stehende Linien und Flächen den Eindruck von Festigkeit, so fehlen oftmals die Formbezüge der Gesamtstruktur zur äußerst rechtwinkligen Begrenzung. Der Betrachter wird zu Fall gebracht, er fällt in Löcher oder rutscht ab. Die Künstlerin erreicht dies durch eine geschickte Verschränkung von extrem flächenmetrischen Gebilden und gegenständlich-räumlichen Kompositionen. Die flächenmetrischen Gebilde, die Sainz Rueda auch als Einzelarbeiten vorstellt, tragen deutlich informelle Züge, die wiederum in die Kompositionen gestellt als Ausdrucksmöglichkeit innerer Vorgänge fungieren können. Letztlich passt die Künstlerin ihre Maltechnik dem jeweiligen Thema an. Man kann erkennen, dass sie sich mit künstlerischen Ideen und Techniken auseinandergesetzt hat, die sie geschickt zu kombinieren und zu verfremden vermag. Dadurch und mit ihren geheimnisvollen Figuren entsteht immer etwas Überraschendes, Traumatisches, aber auch Schräges, Skurriles und in vielen Fällen sogar Monumentales. Man spürt die Lust am Malen, am Erfinden.

Dr. Sandra Mühlenberend, 2008

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